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Pain is temporary, glory is forever!

Es war eine dieser herbstlichen Spontanentscheidungen in der Abwägung von Saisonzielen für 2017, die Nadine, Dierk und mich dazu veranlasst haben, an der Etape du Tour 2017 teilzunehmen. Jedes Jahr wird auf einer Originaletappe der jeweiligen Tour de France einige Tage vor den Profis ein Jedermannrennen veranstaltet. Eines der Events, bei denen man einmal in seinem Rennradfahrerleben dabei gewesen sein muss.

Da die Veranstaltung mit 15.000 Startplätzen jedes Jahr unmittelbar nach der Tour-Präsentation im Oktober ausgebucht ist, war schnelles Handeln gefragt, im Nachgang glücklicherweise ohne vollständiges Abwägen der Konsequenzen des Tuns. Schnell wurde noch das Rennradtrainingslager über Himmelfahrt im Schwarzwald organisiert und als Teamevent getarnt. Allen Mitwirkenden im Nachgang nochmal vielen Dank für die Unterstützung.

Schon die Anreise, u.a. mit der Autofahrt über den Col de Telegraph und Galibier (in diesem Jahr auf der 17. Etappe von den Profis zu bewältigen) war gigantisch und beide Anstiege stehen von nun an auf unserer To-do-Liste für die nächsten Jahre. In den Hochsavoyen waren mehr Rennradgruppen unterwegs als im April auf Mallorca.

Für den Raceday am Sonntag waren Sonnenschein und in den Tälern Temperaturen bis an die 30° C angesagt, also optimale Bedingungen. Trotzdem haben wir morgens vor dem Start noch mächtig gefroren. Die 15.000 Starter aus aller Herren Länder (neben sämtlichen europäischen Ländern auch aus den USA, Neuseeland,..) wurden in 15 Startblocks mit je 7,5 Minuten Abstand auf die Strecke geschickt. Nadine und ich befanden sich in Startblock 11 und Dierk anmeldetechnisch bedingt leider zwei Blöcke dahinter. Meine ursprünglichen Befürchtungen von vielen gefährlichen Fahrsituationen während des Rennens aufgrund der Masse der Teilnehmer stellte sich bereits nach wenigen Metern als unbegründet heraus. International werden Radrennen viel entspannter gefahren - was wir schon letztes Jahr beim Alsacienne festgestellt haben.Stürze in unserem erweiterten Umfeld haben wir auf der gesamten Strecke nicht gesehen. Während des gesamten Rennens waren zahlreiche Motorräder unterwegs, um für die Sicherheit auf der voll gesperrten Stecke zu sorgen und bei Pannen, Unfällen und Verletzungen sofort zu helfen.

Die Strecke ist die 18. Etappe der diesjährigen Tour (Streckenverlauf und Höhenprofil hier). Zunächst ging es nach Süden durch das Tal der Durance - landschaftlich schön & überwiegend leicht bergab und wellig mit entspannten Anstiegen und flowigen Abfahrten Richtung Lac Serre-Poncon. Bei der ersten Verpflegung nach 50 km war ich freudig überrascht, Nadine wieder zu treffen und wusste somit, dass auch sie gut im Rennen war. Eine Viertelstunde dahinter hatte sich Dierk bereits unmittelbar nach dem Start mit einer gut funktionierenden Gruppe aus der Masse seines Startblocks auf und davon in unsere Verfolgung gemacht. Nun ging es an dem Stausee weiter und bei km 58,5 erwartete uns der erste Legwarmer zur Côte des Demoiselles Coiffées (Bergwertung 3. Kategorie, 3,9 km, 5,2 %). Danach ging es auf einer schönen Abfahrt mit tollem Blick auf den Stausee an der Ubaye entlang vorbei an Pra-Loup (Simon Geschkes unvergessene Sternstunde mit dem Etappengewinn 2015) zur Verpflegung bei km 100 in Barcelonette. Hier galt es, sich gut zu versorgen, denn weitere 21,7 false-flat-km später wartete mit dem Anstieg zum Col de Vars (Bergwertung 1. Kategorie, 9,3 km, 7,5 %) der erste Scharfrichter des Rennens.

Am Col de Vars begann der erste Teil der Sonderwertung „King of the Mountains challenge“, bei der die Einzelzeiten der beiden Anstiege Col de Vars und Izoard gesondert genommen und anschließend addiert wurden. Der Berg ließ sich gut fahren und war bis auf eine mittlere Passage um die 10 % Steigung nicht wirklich schwer. Es hat einfach nur Spaß gemacht, Massen an Fahrern zu überholen, selbst nicht überholt zu werden, die tolle Aussicht zu genießen und den Fahrerlindwurm zu sehen, der sich den Berg hinauf schlängelte. Dierk hatte leider bereits zu Beginn des Anstieges mit Krämpfen zu kämpfen und konnte diesen nur mit großen Schmerzen und Pausen bewältigen. Auch vielen anderen Fahrern erging es so, sodass hier auch viele am Rand saßen oder ihre Räder schoben. Auf der grandiosen Abfahrt ohne scharfe Kurven nach Guillestre (Anstieg zur Station Risoul, Etappenankunft Tour 2014), konnte er es aber richtig krachen lassen und die Schmerzen kurzzeitig verdrängen. Selbst ich als eher vorsichtiger und weniger technisch begabter Abfahrer habe hier meine Bremsbeläge schonen und den Flow einfach nur genießen können. Nach erneuter Nahrungsaufnahme ging es weitere 16 false-flat-km durch die Combe de las Queyras, eine der schönsten Straßen, die ich je gefahren bin. Den Teilnehmern war die Spannung anzumerken, denn jeder hatte schon mächtig Körner gelassen bei km 167 folgte der Anstieg zum Zeil des Rennens auf dem Izoard (Bergwertung HC, 14 km, 7,3 %).

Der Berg an sich einzeln ist sicher kein besonders schwerer Berg mit längeren Stücken vor allem im oberen Bereich zwischen 8 % und 10 % und insgesamt recht rhythmisch mit gleich bleibender Steigung, aber nach der Vorbelastung…. Es lag den gesamten Anstieg über eine mystische Stille über dem Fahrerfeld. Jeder hatte mit sich zu kämpfen. An den Straßenrändern spielten sich Dramen ab. Viele völlig erschöpfte Fahrer, die Pausen machten, oder zu Fuß gingen. Ein Dorfbrunnen wurde von der Fahrermeute quasi überfallen. Auch ich hätte mich gerne zu den Pausierenden dazugesellt. In regelmäßigen Abständen versuchte ich durch die Betätigung des rechten Schalthebels noch einen Zaubergang hinter meiner 34/28er Übersetzung aufzutun, der sich aber nicht fand. Da ich mich dennoch in einem Dauerüberholvorgang befand, wurde mir bewusst, wie viel mehr die Leute um mich herum wohl leiden mussten. Der Veranstalter hatte noch Motivationsschilder wie „when you can read this, ride harder“, „even Chris Froomes legs hurt now“; „Nibali would attack here“, „what is one km in a lifetime“. Mich persönlich hat „pain is temporary, glory is forever“ am meisten inspiriert. Also habe ich den Kopf darauf eingestellt, mindestens über eine Stunde in Dauerschleife weitertreten, weitertreten, weitertreten…. an die Beine zu funken. Am Ende war ich überrascht, damit Platz 773 von über 11.000 gewerteten Fahrern am Izoard erzielt zu haben und damit 600 Plätze besser als am Col de Vars gewesen zu sein. 3 km vor dem Gipfel ließ der atemberaubende Blick auf die Casse Déserte inklusive einer kurzen Zwischenabfahrt für kurze Zeit alle Schmerzen vergessen und einfach nur Begeisterung hervorzurufen. Der Gipfel war zum Greifen nah. Nach dem Passieren des Denkmals für Bodet und Coppi die Überquerung der Ziellinie stellte sich ein pures Glücksgefühl ein und die Qualen waren fast auf einen Schlag vergessen.

Nach einer kurzen Verpflegung am Gipfel ging es eine ebenfalls schöne und gut zu fahrende Abfahrt rund 20 km nach Briancon ins Renn-Village zur Pasta-Party. Bereits kurze Zeit später kam nach einer super starken Leistung Nadine ebenfalls wohlbehalten dort an und auch Dierk hatte sich mit seinen Krämpfen den Berg hochgequält, nicht aufgegeben und ist am Ende sogar noch in der ersten Hälfte der Ergebnisliste gelandet. Das erfordert einen Riesenrespekt.

Unser Fazit: Ein großartiges Erlebnis und ein Event, an dem man einmal in seinem Rennradfahrerleben teilgenommen haben muss. Vor großen Bergen brauchen wir keine Angst zu haben, wer den Schwarzwald kann, kann die Alpen schon lange :-)!
Und auch die begeisterte Stimmung der französischen und internationalen Zuschauer am Straßenrand ist allein schon Grund dort einmal teilzunehmen!

Hier geht es zur Veranstaltungshomepage: L'Étape du Tour

Ergebnisse:

Sven       7:26:57 h, Platz 2.253 (ges. 11.206), AK Platz 376 (ges. 1.692)
                 Col de Vars: 0:46:39 h, Platz 1.391 (ges. 10.888)
                 Izoard: 1:15:35 h, Platz 773 (ges. 11.042)
                 King of the Mountains challenge 2:02:14 h, Platz 904 (ges. 10.854)

Nadine    8:05:14 h, Platz 3.820 (ges. 11.206), AK Platz 20 (ges. 75)
                  Col de Vars: 0:53:58 h, Platz 4.136 (ges. 10.888)
                  Izoard: 1:30:36 h, Platz 2.948 (ges. 11.042)
                  King of the Mountains challenge 2:24:34 h, Platz 3.117 (ges.10.854)

Dierk       9:01:59 h, Platz 6.467 (ges. 11.206)

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Nadine, Sven und Dierk wieder ein wenig erholt zurück im Quartier in Serre Chevalier

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Auch der Teufel Didi Senft höchstpersönlich war or Ort

Artikel von: Sven Teiwes


Spenden-Info:

Finisher:
Sven Teiwes: 447 min.
Nadine Teiwes: 485 Min.
Dierk Linsenmaier: 542 Min.

Gesamtstrecke: 3.600 HM / 181 km
Wettkampfzeit-Summe: 1474 min.
Spendengeld: 147,40 €


Mit jedem Start sammeln unsere Teamler Spendengeld bei unserem Sponsor ein.
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