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die Bucket List reduziert

Der Anstieg nach Alpe d’Huez (1.860 m NN, 13,4 km , 1.132 HM, 8,4 %) steht sicher auf der Bucket List eines jeden Rennradfahrers, genauso wie der legendäre Col du Galibier (2.645 m NN, 17,6 km, 1.220 HM, 6,9 %) mit dem vorgeschalteten Col du Télégraph (1.566 m NN, 12 km, 854 HM, 7,1 %). Perfekt, dass es mit der Marmotte Granfondo Alpes ein Jedermannrennen gibt, das alle drei Anstiege beinhaltet und ich schon seit einigen Jahren auf dem Schirm hatte. Letzten Herbst konnte ich mit Ulf einen Mitstreiter finden der sich mit mir an das Abenteuer über rund 175 km und 5.000 Höhenmeter wagen und für das Training motivieren wollte. Um die drei vorgenannten Anstiege zu meistern, muss man allerdings mindestens über den 30 km langen Anstieg zum Col du Glandon.

Das schlechte Wetter zum Ende des Winters und im Frühjahr hat dann leider nur zu rund 1.500 Vorbereitungskilometern mit rund 15.000 Höhenmetern geführt. Nur wenige Tage vor dem Start tickerte dann noch die Meldung ein, dass die Strecke sich wegen einer Änderung um 11 km und 500 Höhenmeter verlängert werden musste. Statt des Col du Glandon musste nun der Col de la Croix Fer (2.067 m NN, 32,3 km, 1.557 HM, 4,8 %) bezwungen werden, der zu allem Übel noch den Col du Mollard (1.638 m NN, 6,2 km, 411 HM, 6,6 %) nach sich zeiht. Sei es drum, der Urlaub war eingereicht und das Quartier gebucht, also los.

Für den Renntag hatte sich traumhaftes Wetter angesagt mit Sonne pur, knapp 30° C in den Tälern und sogar noch auf dem 2.604 m hohen Galibier 16° C. Beim Start in Bourg d’Oisans haben wir mit den übrigen rund 5.000 Teilnehmern um kurz vor 7 Uhr noch ein wenig gefroren. Armlinge und Weste sind aber noch vor dem Start in der Trikottasche für den Rest des Tages verschwunden. Aus Respekt vor der Strecke ließen es die Teilnehmer auf der 10 km brettflachen Anfahrt zum Col de la Croix Fer ruhig angehen. Nach einigen weiterne Kilometern klappte die Straße recht unvermittelt auf rund 8 % Steigung hoch und von da an war der Wattmesser ein zuverlässiger und wichtiger Begleiter, sich von der Rennatmosphäre nicht anstecken zu lassen. Um im Rhythmus zu bleiben, musste ich ein wenig überziehen, aber nach rund 2 Stunden ging es mir auf dem Gipfel noch recht gut. Die Verpflegungsstation war viel zu klein ausgelegt, wuselig und es gab keine Gels (zum Glück hatte ich eigenen dabei). Also rein in die neutralisierte Abfahrt, und hoch zum Col du Mollard. Auch diese lange Abfahrt bis ins Tal war neutralisiert. Das war auch gut so, denn schlechter Asphalt, schlechte Sichtverhältnisse mit abwechselndem Licht und Schatten sowie zahlreichen Serpentinen waren eine Herausforderung und sehr anstrengend. Einige Übermütige haben den jeweils restlichen Teil der Abfahrt im Krankenwagen verbracht. Die Bilder mussten sofort aus dem Kopf gelöscht werden und ich war froh, unten heil angekommen zu sein. Lustigerweise dort noch einen Bekannten aus Donaueschingen im Rennen getroffen zu haben. Für die nächsten Flachen Kilometer durch das Tal der Arc nach St.-Michel-de-Maurienne galt es eine Gruppe zu finden und sich dort im Windschatten zu verstecken. Der Anstieg zum Col du Télégraph verlief trotz der Vorbelastung gefühlt verhältnismäßig gut, die getretenen Wattzahlen lagen im Soll. Die Hitze und Streckenlänge mit nun über 100 km zehrten an den Kräften. Auf der kurzen Abfahrt nach Valloire hatte ich meine erste Krise und die Verpflegungsstation am Ende des Ortes herbei gesehnt. Das Feld hatte sich nun etwas auseinander gezogen, so dass hier kein Gedränge mehr herrschte. Zudem gab es neben Obst, Salzkeksen und Riegeln auch endlich Gels. Hier hatte ich mich ausgiebig verpflegt, viel getrunken und die Flaschen aufgefüllt. Es wartete schließlich der Col du Galibier, vor dem ich vor allem wegen der absoluten Höhe gehörigen Respekt hatte. Also wieder dem Kopf einschärfen, die Tretbefehle zu senden und auch hier sich von Kilometer zu Kilometer weiter zu arbeiten. Einen Kilometer vor dem Ziel war die dortige Verpflegungsstation aufgebaut, bei der ich mir auch wieder die nötige Zeit genommen hatte. Nach 1.000 weiteren Metern hatte ich mit der Gipfelquerung einen neuen persönlichen Rekord für die absolute Höhe aufgestellt. Auf der rund 45 km langen Abfahrt am Col du Lautaret vorbei ging es nun wieder zurück zum Startort Bourg d’Oisans. Jetzt wusste ich auch, warum wir alle Lichter mitführen mussten. Es warteten mehrere, Tunnel (einer in der Mitte unbeleuchtet) auf uns. Diese brachten zwar Abkühlung, aber auch gleichzeitig Sturzgefahr. Im Grunde fuhr man nur dem roten Rücklicht des Vordermanns nach. Zum Glück war der Straßenbelag in den Tunneln sehr gut. Auf der weiteren Abfahrt konnte ich wieder eine Gruppe finden, die mir Windschatten gab. Just, als ich in die Führung musste, war die Verpflegungsstation in Bourg d’Oisans bei km 172 am Fuß zum Anstieg nach Alpe d’Huez erreicht. Die Temperatur lag inzwischen bei den vorhergesagten knapp 30° C. Die Fahrt weiter geradeaus über 10 flache Kilometer ins Quartier und unter die Dusche waren verlockend. Doch noch einmal gut verpflegt, ein Gel reingedrückt, mental in Stimmung gebracht und den Abzweig zum Anstieg gewählt. Was dann kam, hat mich an den Rand der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit gebracht. Alpe d’Huez unter den Bedingungen und mit der Vorbelastung ist ein richtiges Brett! Der Wattmesser war mittlerweile ausgefallen, aber das war nun auch egal, es galt alle Reserven zu mobilisieren. Einen riesigen Respekt vor den Profis, von denen ich die Bilder vor Augen habe, wie sie jedes Mal noch auf dem großen Blatt in den Anstieg bis zur ersten Kurve hochballern. Wie geht das? Die Straße klappte von Anfang an auf über 8 % und wurde bis ins Ziel nicht wirklich flacher. Ich war von Anfang an im kleinsten Gang und habe den auch mehr herumgewürgt als getreten. Kein Schatten und von den Fels- und Steinwänden wurde zusätzlich die Hitze auf die Straße zurück gestrahlt. Die Stabilität meines Kreislaufes war gefühlt auch kurz vor dem Versagen und die Verlockung, sich wie viele andere einfach an den Rand zu setzen und zu verschnaufen sehr groß. Doch ich wusste auch, dass ich dann wahrscheinlich nicht mehr auf das Rad steigen werde. Also die nummerierten Kurven heruntergezählt und sich von Kilometer zu Kilometer weiter gearbeitet. Bei ca. 6 km vor dem Ziel war auf einmal der Wind wieder frisch und die Skianlagen, Häuser und Hotels von Alpe d’Huez sichtbar. Das gab nochmal neue Motivation, genau wie die Anfeuerungsrufe doch einiger Zuschauer. Der letzte Kilometer in der Ortschaft war fast flach und nach 1:25 h Auffahrt der Zielstrich in Sicht. Das Erleben des Gefühl bei dessen Überquerung hat letztendlich für die Qualen des Tages entschädigt. Der Sieger des Rennens war unglaubliche 4 Stunden vor mir ins Ziel gekommen. Am Ende standen neben dem höchsten je erreichten Punkt drei weitere persönliche Rekorde für mich zu Buche: Längste Strecke, längste Zeit auf dem Rennrad und meiste Höhenmeter auf einer Tour. Ulf hatte leider die versteckte Verpflegungsstation kurz vor dem Galibier übersehen und ausgelassen und sich letztendlich dafür entschieden, sich die Qual nach Alpe d’Huez nicht mehr anzutun. Dennoch ein großartiges Erlebnis zu zweit und am nächsten Tag haben wir schon Pläne für ein zukünftiges weiteres gemeinsames Radevent auch mit ein paar Quälkilometern geschmiedet.

Homepage der Veranstaltung

Ergebnis:

Sven Teiwes 10:17,28 Stunden (brutto), 9:24,18 Stunden (netto) (gesamt 1.358. von 4.368, AK 170. von 966)

Artikel von: Sven Teiwes


Spenden-Info:

Finisher:
Sven Teiwes: 618 min.

Gesamtstrecke: 5.283 HM, 186 km
Wettkampfzeit-Summe: 618 min.
Spendengeld: 61,80 €


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