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team.ggu-software.com am Gigant der Provence auf geschichtsträchtigen Pfaden der Tour de France

Wenn es zehn Dinge gibt, die man in seinem Rennradfahrerleben einmal gemacht haben muss, gehört sicher eine Befahrung des Mont Ventoux dazu und diese steht weit oben auf der Liste. Der mit 1.911 m höchste Berg des französischen Zentralmassivs mit der Provence hebt sich isoliert aus seiner Umgebung ab und sucht mit 1.600 Höhenmetern sogar in den Alpen seinesgleichen. Regelmäßig erfolgen hier auf den Tour de France Etappen harte Kämpfe um den Toursieg und spielen sich Dramen ab, die u.a. mit dem Tod von Tom Simpson am 13.07.1967 in einprägsamer Erinnerung bleiben.

Also haben die Familie Linsenmaier um Neu-Teammitglied Dierk und wir, Fam. Teiwes, einen Familienurlaub in der Provence geplant und in Malaucene ein Quartier direkt am Westfuß des Berges gefunden. Schon auf dem Weg dorthin nahm der Mont Ventoux langsam eine beeindruckende Gestalt an. Unterwegs haben wir zahlreiche Rennradfahrer gesehen und wir fühlten uns an Mallorca im April erinnert. In unserer Ferienwohnungsanlage waren wir gefühlt die einzigen ohne Rennrad oder Mountainbike.

Die erste Erkundungstour in Malaucène führte uns sogleich zum Radverleih. Die Wetterprognosen sollten für Dienstag den 17.05.2016 ideal sein, Sonnenschein und kein Wind. Der Mistral kann vor allem an der Bergspitze unangenehm sein. Ich habe mich für ein S-Works Tarmac mit Dura-AceDi2 und Scheibenbremsen entschieden. Dieses Rad bepreist Specialized auf seiner Homepage in der Ausstattung mit 10.000,- € und einmal in meinem Leben wollte ich so einen Edelrenner gefahren sein. Also bestens geeignet für diesen Anlass und 2-3 kg weniger Systemgewicht sind am Berg ja nicht unbedingt von Nachteil. Allerdings stand ich so für die Auffahrt mächtig unter Druck, denn auf einem solchen Hobel sitzend überholt zu werden zaubert in der Regel ein spöttisches Grinsen in das Gesicht des anderen. Nadine und Dierk haben sich für etwas unauffälligere, aber auch gute Lapierre bzw. BMC-Renner entschieden. Alle Leihräder waren mit Kompaktkurbel und Kuchenblechen am Hinterrad von 28 bzw. 30 Zähnen bergtauglich ausgestattet.

Da das Frühjahr zum Sammeln von Trainingskilometern und Höhenmetern eher durchwachsen und für die geplante Unternehmung nicht ganz tauglich war, haben wir drei vor der Abfahrt im Breisgau noch einmal unsere Form am Kandel, Deutschlands wohl schwierigsten Rennradanstieg außerhalb der Alpen überprüft. Nach dem erfolgreichen Test haben wir uns für die Auffahrt zum Mont Ventoux für den Klassiker, die Südrampe von Bédoin entschieden. Hierbei sind auf 21,4 km rund 1.600 Höhenmeter zu bezwingen, also in etwa so viele Höhenmeter am Stück wie unsere Uthleder Radsportkollegen jeweils auf ihren Tagestouren in ihrem Harztrainingslager gesammelt haben.

Bei strahlendem Sonnenschein und knapp unter 20°C ging es nun am besagten Dienstag von Malaucène in einer kleinen Einrollrunde nach Bédoin. Uns war noch nicht klar, ob auf uns die schwierigere Aufgabe wartete oder auf Dierks Frau Christine, die familienübergreifend unsere insgesamt drei unter dreijährigen Kinder betreuen und mit ihnen zum Anfeuern den Berg hinauf fahren wollte. Auf dem Weg nach Bédoin nahm auch die Rennradfahrerdichte langsam zu. Gleich hinter dem Kreisel in Bédoin verläuft ein weißer Strich über die Straße, der den Kilometer Null und den Beginn der Steigung anzeigt. Die ersten 5 km hatten etwa das Niveau des Reitlingstals und wir haben diese Strecke entsprechend der Passsteckbriefempfehlung des Tour-Magazins 07/2009 gemächlich angehen lassen. Aber dann klappt die Straße nach der ersten Kehre in St. Estève unvermittelt auf ca. 8 % an. Die Strecke führt hier für die nächsten 10 km mit Steigungen zwischen 8 % und 10 % durch Nadelwald. Kilometersteine am Rand weisen die Steigungsprozente für den Folgekilometer an und geben zudem Informationen zur aktuellen Höhe. Hier hat sich jeder von uns seinen eigenen Rhythmus gesucht. Ich muss für mich sagen, dass mich mein Superrenner zwar nicht von allein den Berg hoch gefahren hat, er dennoch am Berg einen unheimlichen Fahrspaß und eine gewisse Leichtigkeit vermittelt hat, die natürlich motivierend waren. So „flogen“ die nächsten Kilometer nur so dahin und ein Rennradfahrer nach dem anderen konnte einkassiert werden. Nach 10 weiteren Kilometern tauchte das Chalet Reynard auf. Wer eine Pause braucht, bekommt hier zu Essen und zu trinken. Ab hier endet schlagartig die Vegetation und es beginnt die markante und weithin sichtbare weiße Steinwüste. Der Turm am Gipfel ist nun zum Greifen nah und die Steigung wird kurzzeitig flacher so dass man hier wieder ein paar Gänge höher schalten konnte. Doch die letzten 5 Kilometer waren zäh und man kann sich hier nochmal gehörig verzocken und einbrechen. Zwischendurch folgen immer wieder steilere Passagen und wenn Wind weht, kann dieser sicher sehr unangenehm werden. Zudem werden die Trikottaschen von den Visitenkarten der professionellen Fotografen immer schwerer, die Bilder von den Fahrradfahrern machen, die man später käuflich auf deren Homepages erwerben kann. Der letzte Kilometer ist noch einmal rund 10 % steil und verlangt dem müden Fahrer alles ab. Rund 800 m vor dem Ziel befindet sich der mit Radutensilien geschmückte Gedenkstein an Tom Simpson, der einen kurzzeitig innehalten lässt. Oben auf dem Gipfel am Turm signalisiert ein weißer Strich das Ende des Anstiegs. Mit einer Zeit von „nur“ 35 Minuten langsamer als Tony Martin bei seinem 2. Etappenplatz 2009 (62:17 min) war ich äußerst zufrieden. Dennoch reicht es nicht einmal für das Gruppetto bei der Tour ;-) Die Bestzeit stammt aus der Hochdopingära und wird seit 2004 von Iban Mayo mit 55:51 min gehalten. Chris Froome hat bei seinem Etappensieg 2009 immerhin noch genau 59 Minuten gebraucht. Nur kurze Zeit später kam Dierk in seinem ersten „Einsatz“ in grüngelb am Gipfel an und Nadines Stoppuhr blieb auch locker unter 2 Stunden stehen. Gemeinsam konnten wir nun die traumhafte Aussicht auf schneebedeckte Alpenberge und bis zum Mittelmeer genießen. Bedingt durch unseren schnellen Ritt nach oben mussten wir noch einige Zeit in unseren kurzen Klamotten bei ca. 10°C in einer sonnigen und windstillen Ecke auf dem Gipfel ausharren, bevor Christine mit den Supportern und warmer Kleidung mit dem Auto auf dem Gipfel ankam.

Nahezu jeder Gipfelbezwinger lässt ein Bild von sich vor dem Gipfelschild schießen. Wir fanden es erstaunlich zu beobachten, was für unterschiedliche Fahrertypen sich mit verschiedensten Rädern (Rennrad, MTB, Tourenrad, Rentner auf E-Bikes) an die Bergbezwingung gemacht haben.

Auf der Abfahrt konnte Dierk seine als ehemaliger Lizenzfahrer erworbenen fahrtechnischen Fähigkeiten voll ausspielen und war nach der ersten Kurve nicht mehr gesehen. Die 84 km/h reichten dennoch nicht für einen persönlichen Highscore. Ich persönlich fand das Schleifgeräusch der aufgeheizten Scheibenbremsen irritierend, das immer erst wenige Sekunden nach dem Lösen und Abkühlen der Bremsen aufhörte. Leider war die 22 km lange Abfahrt nach Malaucène mit traumhaften Ausblicken unterwegs in unser Quartier viel zu schnell zu Ende.

Für uns drei Radler war der Aufstieg ein unvergessliches Erlebnis, bei dem wir unabhängig voneinander etwa die gleichen Eindrücke gewonnen haben. Zudem war jeder mit sich und seiner Leistung zufrieden und konnte die Fahrt entsprechend „genießen“. Ein herzlicher Dank auch an Christine, die die Kinderbetreuung übernommen und uns dies ermöglicht hat.

Im Tour-Magazin Juli 2016 erfolgt eine Reportage über die Faszination Mont Ventoux. Wir sind gespannt.

Fazit: Der Mont Ventoux ist gar nicht so schrecklich wie beschrieben - auch mit wenigen Trainingskilometern lassen sich Klassikerberge bezwingen – die Provence ist ein ideales Terrain für ein Radtrainingslager mit traumhaften Auto armen Strecken und stellt Mallorca locker in den Schatten – ein High-End-Rennrad zu fahren ist ein unglaublicher Fahrgenuss - wir kommen wieder :-)

Ein inspirierendes Video hier.

Weitere Bilder finden sich unter folgenden Links (17.05.2016, 11:30-12:15 Uhr):

Sven und Dierk: http://www.griffephotos.com/folio/65/mardi-17-mai-2016/page-2.html
Nadine: http://www.griffephotos.com/folio/65/mardi-17-mai-2016/page-3.html

Sven: http://www.sport-photo.fr/en/91-bedoin-sault?search_from_hour=11&search_from_minute=0&search_to_hour=12&search_to_minute=59&p=2
Dierk: http://www.sport-photo.fr/en/91-bedoin-sault?search_from_hour=11&search_from_minute=0&search_to_hour=12&search_to_minute=59&p=3
Nadine: http://www.sport-photo.fr/en/91-bedoin-sault?search_from_hour=11&search_from_minute=0&search_to_hour=12&search_to_minute=59&p=4

Sven, Dierk, Nadine: http://photoventoux.com/photos.php?pas=1345&evenement=20160517-ventoux&sous_ev=20170517-ventouxsud&nbdeb=0

Artikel von: Sven Teiwes